01.03.2006 Kriegs-Erlebnisse von Diter Kuhlmann im 2. Weltkrieg

01.03.2006

Ein kleiner Junge, sein Vater und die Gestapo
von Diter Kuhlmann (Übersetzung Franz-Josef Knak 25.02.2014)

Bumm, bumm, bumm, —- bumm, bumm, bumm.
„Schnell, schnell“, rief meine Mutter aus der Küche, „die Bomben fallen. Lasst uns im Keller verstecken“.
Die Wände unseres Hauses vibrierten schwer als wir die Kellertreppe hinunter rannten, fürchtend, dass das Haus über uns jederzeit zusammenbrechen könnte. Inzwischen konnten wir den beunruhigenden Ton der örtlichen Feuerwehr hören, die die erschreckten Dorfbewohner ermahnt Deckung zu nehmen.
Meine Mutter, meine Schwester Liesel und ich versteckten uns in der weitesten Ecke unseres dunklen Kellers an diesem späten Nachmittag im Oktober 1944. Ich war gerade knapp zwei Monate vor meinem fünften Geburtstag.
Wiedelah, unser Dorf mit 1200 Seelen, war 100 Kilometer südöstlich von der Stadt Hannover gelegen. Es liegt idyllisch am Fuß der schönen Harzer Berge mit ihrem riesigen Kiefern-Wald, Wildwasser-Bächen und kristallklaren Strömen, fast in der Mitte Deutschlands. Es gibt es dort seit siebenhundert Jahren.
Immer morgens flogen Staffeln von britischen Kriegsflugzeugen entweder nördlich oder südlich von Hannover nach Berlin, um die deutsche Hauptstadt zu bombardieren. Auf ihrem Rückflug haben sie manchmal ihre übriggebliebenen Bomben auf kleinere Städte und Dörfer fallen lassen.
Am Anfang des Jahres hatten die britischen und amerikanischen Bomber, gewöhnlich von Spitfire (Jägern) begleitet, begonnen, nachts zu fliegen aus Angst vor dem Boden-Feuer der deutschen Luftabwehr-Einheiten.
Später in diesem Jahr waren die Luftverteidigungseinheiten des Volkssturms, die hauptsächlich aus alten Männern und der Hitlerjugend bestanden, einigermaßen schwach geworden, und die Luftangriffe während der Tageszeit waren häufiger geworden. Die deutsche Armee kämpfte noch gegen die Alliierten außerhalb Deutschlands.
Mein Vater, er arbeitete als Vorarbeiter auf der Domäne Wiedelah, war noch nicht zu Haus. Er war noch auf der Arbeit; der einzige fähige Mann auf der Domäne neben dem Betriebsleiter, der fähig war, Traktoren und Pflüge zu bedienen und säen und maschinell ernten konnte. Jeder andere fähige Mann war entsandt worden, um im Krieg zu kämpfen. Die restlichen Arbeiter auf der Domäne waren entweder Frauen, Rentner oder Invaliden.

Da war es wieder – der brummende Ton der Staffeln von Kriegsflugzeugen. Erst in der Ferne – dann näher and näher – dann weiter weg – dann wieder näher – humn – humn – humn – und dann – bumm – bumm – bumm – bumm – der fallende Tod bringt Bomben.
Unsere Mama hat uns eng gegen ihren starken Körper gehalten, einer links und einer rechts, der fit war von den Mühen in unserem Haus und Garten.
Glücklicherweise flogen die meisten Flugzeuge in der Entfernung an unserem Dorf vorbei. Nur eins oder zwei flogen über unser Dorf. Sie ließen zwei Bomben auf unseren Marktplatz fallen, die aber nur oberflächlichen Schaden anrichteten – hauptsächlich zerbrachen nur Fensterscheiben (hier irrt der Autor, denn im Dorf von Wiedelah sind keine Bomben gefallen sondern nur am Güterbahnhof). Wahrscheinlich wollten die Piloten den Leuten auf dem Land gar nicht wirklich schaden. Ihr Hauptziel war, Fabriken und Armee-Einrichtungen zu zerstören.

Nachdem wir uns im Keller anderthalb Stunden versteckt hatten, konnten wir zu unserer gewaltigen Erleichterung die Feuerwehr-Sirene hören, die einen halben Kilometer weg von unserem Haus den Alarm beendete.

Unsere Mutter ist die Kellerstufen hoch zu den Küchenfenstern gestiegen, um zu überprüfen, ob irgendetwas Verdächtiges gesehen oder gehört werden konnte und ging dann schnell durch den Vorbau außerhalb unseres Hauses, um nachzuforschen, ob alles sicher war. Dann rief sie meine Schwester und mich in die Küche, wo sie sofort begann unser Abendessen vorzubereiten. Liesel, acht Jahre älter als ich, half ihr dabei. Es muss 18:30 Uhr gewesen sein und fast dunkel. Mama sagte: „Liesel, bitte schließe die Rollos am Fenster und bedecke die Lücken, links, rechts, oben und unten mit Decken, so dass kein Licht von außen gesehen werden kann“. Wir wollten nicht erschossen oder gebombt werden, wenn noch mehr Flugzeuge unser Dorf passierten.

Dann zündete sie eine Kerze an, weil Kerzen ein gedämpfteres Licht als elektrische Birnen geben. Häufig hatten wir überhaupt keine Energie pt entweder wegen der Pannen am Kraftwerk in der Nähe von Helmstedt oder wegen des Mangels an Brennstoff durch den Krieg.
Während das Abendessen noch vorbereitet wurde,, kam Vati erschöpft von einem langen Arbeitstag an. Er arbeitete zwölf bis 13 Stunden am Tag, oft von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Im Sommer während der Ernte arbeitete er von morgens 4:00 Uhr bis 21:00 Uhr. Sonnenaufgang im Juli ist nach 3:00 morgens und Sonnenuntergang vor 22:00 Uhr.
Mein müder Vater setzte sich an den Küchentisch, entspannte sich ein paar Minuten, dann zog er seine Arbeitsschuhe aus, brachte sie in den Vorbau und zog seine Hausschuhe an. Er wusch sein Gesicht und Hände in der Waschschüssel und kehrte zu seinem Sitz zurück.
„Karl Meier erzählte mir heute auf der Arbeit, dass seine Nachbarin Hertha Fricke getötet wurde, stehend in der dunklen Küche vorn am Fenster ist sie erschossen worden durch eine Maschinenpistole eines langsam und tieffliegenden Bombers. Sie starb sofort.“

„Oh, lieber Herr, sie war bereits 80 und solch eine liebenswerte Person. Ich hoffe, sie musste nicht leiden. In Kriegszeiten fragt niemand, ob du eine gute oder böse Person , ein Zivilist oder Soldat bist. Kugeln töten sofort.“
Nach einer kurzen Pause fragt Mama Vati: „Weißt du, wann das Begräbnis sein wird? Ich würde besser hingehen. Du musst sehr wahrscheinlich arbeiten.“
„Ich werde Karl Meier morgen früh auf der Arbeit fragen. Vielleicht kann er mir das dann erzählen“ erwiderte Vati.
„Gustav Gohlig’s Frau Luise hat von Gustav einen Brief erhalten. Er diente in einem Panzerbataillon in Frankreich. Er teilte ihr mit, dass er vor vier Wochen in einer Schlacht in der Normandie an der Westfront verwundet wurde. Der Brief war in der Post vor zwei Wochen. Gustav kann bald aus dem Feld-Lazarett nahe Brest entlassen werden. Wenn er Glück hat, bekommt er 10 Tage Urlaub, um seine Familie zu besuchen.“
„Luise und ihre zwei Kinder, Wolfgang und Jutta, würden sich wahnsinnig freuen. Sie haben ihren Vater seit neun Monaten nicht mehr gesehen. Es ist schrecklich, was der Krieg den Familien antut“ sagte Mama.
Klopf, Klopf ! klang es von der Haustür. Vati ging zum Hauseingang. „Wer ist da, bitte?“ rief er hinaus.
„Ich bin es, August. Hast du eine Minute Zeit, Otto?“
Vati schloss die Tür auf. August Warnecke stand draußen in seinem dicken Mantel, seinen Hut im Gesicht. „Verdammt kalt und windig heute Nacht“ sagte er. „Kann ich für ein paar Minuten hereinkommen?“
„Natürlich“ erwiderte Vati, „was hast du erhalten?“. Mein Vater kam mit Herrn Warnecke zurück in die Küche und bot ihm einen Platz auf dem Holzbehälter nahe dem warmen Ofen an.
„Danke, Otto“, sagte Herr Warnecke, rieb seine Hände über dem Ofen und genoss die Wärme.
„Ich bin gekommen, um für die Kriegsversehrten zu sammeln“ sagte August Warnecke. „Schau, wir haben diese schönen Anstecknadeln, Broschüren und kleine Soldaten bekommen. Die Anstecknadeln kosten zehn Pfennig, die Broschüren zwei Groschen (zwanzig Pfennig) und die Soldaten fünfzig Pfennig.“
„Wir haben nicht viel Geld bekommen“ sagte Mama, „aber wir können eine Anstecknadel für unseren Diter und eine Broschüre für unsere Liesel kaufen, Otto“, Mama schaute Vater an, „kannst du bitte Herrn Warnecke drei Groschen geben, ich habe nicht genug Geld.“ Vati zog sein Portemonnaie aus seiner Hosentasche und gab ihm die Münzen.
„Vielen Dank“ sagte er. „Du weißt, jedes bisschen zählt. Ich sollte mich jetzt auf den Weg machen, um noch ein paar mehr vor 21:00 Uhr zu verkaufen. Gute Nacht Anna, gute Nacht Otto, gute Nacht Kinder. Freut euch auf das Essen. Es riecht so gut, dass ich gern bleiben würde, um einen Bissen zu bekommen, auf Wiedersehen.“
August ging die Haustreppe hinunter in die Dunkelheit. Es war draußen pechschwarz. Es war den Leuten nicht erlaubt jegliches Licht zu zeigen wegen der Verdunkelungs-Gebote.
So bald wie möglich kehrte Vati zurück in die Küche, wo Mama das Essen servierte. Nachdem wir den ganzen Tag in der frischen Landluft gewesen waren, hatten wir alle richtig Hunger. Gewöhnlich hatten wir zum Mittag ein warmes Essen und zum Abendessen belegte Brotscheiben und Suppe, weil Vati aber zum Mittagessen nicht nach Haus kommen konnte, hatten wir diesen Abend gekochtes Schweinefleisch mit Grünkohl, der so ähnlich schmeckt wie Broccoli oder Spinat. Es war eines unserer Lieblings-Essen.
Als wir unser Abendessen beendeten, war es nach 20:00 Uhr. Vati überprüfte die Schulaufgaben meiner Schwester und Mama brachte mich zu Bett. Bis ich über zehn Jahre alt war, schlief ich im Schlafzimmer meiner Eltern. Wir hatten die Treppe hinauf nur ein zweites Schlafzimmer mit nur einem Bett, gerade Platz genug für meine Schwester, die unser Haus nach ihrem neunzehnten Geburtstag verließ. Dann war es für mich möglich in ihr Zimmer zu ziehen.
Gewöhnlich, wenn die ganze Familie in der Küche zur Mittagszeit zusammen saß, unterhielten wir uns über die Ereignisse des Tages. Vati, Mama und Liesel erzählten, was in ganz früheren Zeiten geschehen war oder über die kommenden Jahre.
Eine meiner Schwester‘ s Lieblings-Geschichte war, darüber zu erzählen, was im Dezember 1941 geschehen war, als ich gerade zwei Jahre alt war und beinahe ertrank. Es war an einem eiskalten Wintertag gerade eine Woche vor Weihnachten. Es wurde bald dunkel kurz vor 17:00 Uhr. Meine Schwester legte mich in einen schmalen Holzwagen und packte mich in Decken und Kopfkissen ein, um es warm und gemütlich zu machen. Sie zog mich zu der Domäne, wo Vati als Vorarbeiter mit neun oder zehn anderen Traktorfahrern und Maschinisten arbeitete. Während des Winters waren dort ungefähr dreißig andere Arbeiter, die eine Vielzahl von anderen Aufgaben machten, mühselig in einigen der großen Ställe mit Schweinen, Schafen, Kühen, Bullen und Pferden, Futter für die Tiere und Düngemittel für die Felder zubereiten. Einmal alle paar Wochen bekommen alle Tiere frisches Stroh auf den Stall, damit sie komfortabel und gesund stehen. Dies war besonders wichtig während des Winters, wenn nur einige der Pferde zum Arbeiten heraus kamen oder der Hengst zu den Stuten kam.
Während dieser Zeit erreichten wir die Schmiede und die Traktoren-Werkstatt, wo wir wussten, unseren Vater zu finden. Es war bereits nach 17:00 Uhr bei einem milden Wind und ein paar fallenden Schneeflocken. Alle Hofgebäude waren an eine alte Burg angeschlossen, welche im Kreis von vier kleinen Teichen umgeben war, welche Jahrhunderte vorher zum Schutz der Burg angelegt waren. Endlich fanden wir unseren Vati mit dem Schmiedemeister erzählend und argumentierend, welche Arbeiten die Männer am folgenden Tag machen sollten. Gleichzeitig wärmte er von Zeit zu Zeit seine Hände über dem ausgehenden Schmiedefeuer. Draußen waren es zwei Grad minus und es war angenehm und komfortabel in der Nähe des Feuers.
„Sieh, Otto“, sagte Hermann Schecke de Schmiedemeister, „deine Kinder sind angekommen, um dich nach Haus zu holen.“
„Hi, Kinder“, sagte Vati, „ich will nicht lange bleiben“ und setzte sein Gespräch mit seinem Kollegen fort.
Nach paar Minuten mehr beendeten sie ihre Unterhaltung während Hermann Schecke sein Werkzeug an seine korrekten Stellen platzierte, damit sie am nächsten Morgen fertig bereit lagen. Sie trennten sich. „Bis morgen Hermann,“ sagte Vati.
„Bis morgen früh, Otto“ erwiderte der Schmied und lächelte uns zu. Ich entdeckte später, als ich größer und älter geworden war, dass Hermann Schecke nicht nur ein sehr enger Kollege meines Vaters’ s war, er war auch mein Pate und hat meiner Taufe früher in jenem Jahr beigewohnt in der Lutherischen Kirche in Vienenburg, einer kleinen Stadt mit sechstausend Einwohnern gerade zwei Kilometer von Wiedelah entfernt. Es gab nur eine katholische Kirche in Wiedelah in jenen Tagen.
Nach dem Verlassen der Schmiedewerkstatt mit der riesigen Burg dahinter, seinen schlanken Türmen, die in den winterlichen Himmel ragten machten wir eine Abkürzung vorbei an der Zimmerei-Werkstatt auf einem schmalen Pfad entlang. Mein Vater ging voran mit Liesel dahinter, die mich in dem kleinen Wagen zog, vorbei an gelegentlichen Büschen und Bäumen. Einer der Teiche befand sich auf unserer linken Seite. An einigen Stellen verbreiterte sich der Pfad und verengte sich wieder mit einigen riesigen Baumwurzeln über den Pfad, sodass es den kleinen Wagen mit mir darin von rechts nach links und vor und zurück schüttelt. Es hatte begonnen stärker zu schneien und der Schnee wurde in unsere Augen geweht. Kurz bevor wir eine kleine Fußgängerbrücke vor der historischen Wassermühle erreichten, passierte es. Eine enorme Wurzel überquerte unseren Weg. Meine Schwester versuchte, den Wagen in einem Winkel über die Wurzel zu ziehen. Während sie das tat, verlor sie ihr Gleichgewicht und der Wagen kippte um. Liesel fiel auf den Boden, riss sich ihre Knie durch die wollenen Strümpfe auf während der Wagen auf die Seite fiel und ich in den eisigen Teich rollte. „Vati, Vati – Diter, Diter“ schrie Liesel.
„Was ist los?“ rief Vati in den dunklen Abend.
„Diter ist ins Wasser gefallen, er ertrinkt.“
„Warte, warte“ rief Vater rennend aus. „Wo ist er, wo ist er?“.
„Dort, wo das weiße Handtuch ist.“
Vati sprang mit einem gewaltigen Spritzer in den Teich und versuchte, mich in der Dunkelheit zu ergreifen. Das Wasser war zwei Meter tief. Zuerst versuchte Vater verzweifelt aber erfolglos eine meiner Glieder zu erfühlen. Endlich gelang es ihm, den Rand des Handtuches zu ergreifen, worin ich noch teilweise eingewickelt war. Er versuchte, seinen Kopf über Wasser zu halten, als er mich an seine Brust zog.
Langsam bewegte er sich zum Ufer und zog sich an den Wurzeln und Zweigen hoch. Ich schrie und schrie, und das Wasser rann aus unseren vollgesogenen Kleidern. Vater rief Liesel zu: „Ich werde schnell nach Hause laufen, sonst können wir eine Lungenentzündung bekommen. Du folgst uns langsam. Pass auf, dass du in der Dunkelheit nicht wieder fällst. Und er ging, tapp – tapp – tapp – tapp, mit seinen schweren Arbeitsschuhen.
Als meine Schwester heimkam, hatte mir mein Vater bereits die nasse Kleidung ausgezogen. Mama wusch mich schnell mit einem warmen nassen Tuch ab und wickelte mich in einen frischen weißen Schlafanzug. (ich erinnere mich, darauf waren schöne winzige blaue und rot gefärbte Blumen). Sie bereitete die rote heiße Gummiwasserflasche vor, um das Bett zu wärmen und legte mich dazu. Ich fiel sofort in den Schlaf.
Wir hatten nur eine Warmwasserflasche; Geld war eine seltene Ware in jenen schweren Zeiten. In frostigen Winternächten heizte Mama gewöhnlich ein paar Ziegelsteine im Ofen auf; dann hüllte sie diese in ein Handtuch und legte sie in unsere Betten, sodass jeder ein warmes Bett hatte um hinein zu klettern.
Im April 1943 hat jemand Plakate an die Telegraphenmasten in unserem Dorf angehängt, worin geklagt wird über den Verlust von hunderttausend deutschen Soldaten rings um Stalingrad und Hitler gebeten wird, die Armee zurück zu rufen und den Krieg zu beenden. Mütter hätten ihre Söhne verloren, Bräute ihren Bräutigam, Frauen ihren Ehemann, Kinder ihre Väter, Großväter, Onkel und Paten.
Es war eines der größten Katastrophe für die deutsche Armee und die deutschen Bürger während des zweiten Weltkrieges. Es war der Hauptwendepunkt des Krieges begünstigt durch die alliierten Armeen, die sich zwischen dem 19. November 1942 und dem 2. Februar 1943 verbündeten. Die deutsche Armee kämpfte gegen die Sowjetunion an einer Front, die viertausend Kilometer bedeckte, von Leningrad heute St. Petersburg) im Norden bis Stalingrad (heute Wolgograd) und im Süden bis zum Elbrusgebirge im Kaukasus. Die Oelfelder von Baku, das endgültige Ziel der deutschen Armee, war nicht weit entfernt. Da war nicht die geringste Chance, den Bedarf zu decken, um die Million von deutschen Soldaten zu unterstützen während des tödlichen russischen Winters, dessen Temperaturen unter minus vierzig Grad fielen. In einigen Teilen waren es sogar unter minus fünfzig Grad, mit Metern von Schnee.
Die Schlacht von Stalingrad dauerte sechsundsiebzig Tage. Die komplette sechste Armee, bestehend aus 22 Divisionen mit zweihundertzwanzigtausend Männern und Frauen, war eingeschlossen. Nur fünftausend kamen wieder heim. Alle anderen wurden entweder im Kampf getötet, starben an ihren Verletzungen, welche aus Mangel an medizinischer Versorgung nicht behandelt werden konnten oder starben am Verhungern oder an der Kälte. Der Rest wurde Kriegsgefangener, wurde nach Sibirien transportiert, um hart zu arbeiten, wobei die meisten von ihnen starben. Nur einige wenige kehrten 1950 und später heim. All dieses war das Resultat von einem teuflischen Mann, Adolf Hitler, der selten auf seine Generäle hörte. In der Tat, der ganze Krieg war teuflisch wie alle Kriege sind.
Die Menschheit will niemals lernen. Es gibt immer einige Fanatiker. Sobald sie Führer werden, werden sie besessen von der plötzlichen Macht über Leute. Sie nutzen jede Gelegenheit, entweder persönlichen Gewinn zu erreichen oder unglückseligen Ideen zu folgen,die Katastrophe nicht nur in andere Länder sondern auch ihrem eigenen Land bringend.
Eines Tages im Mai 1943 kam die Gestapo in unser Haus während Vati’ s Mittagspause und nahm ihn mit zu einer Untersuchung, gerade so wie war – in seinen blauen schmutzigen Arbeitskleidern, sein halb angefangenes Essen auf dem Tisch zurücklassend. (GeStaPo steht für Geheime Staats Polizei).
Gerade drei und ein halbes Jahr alt, kletterte ich auf eine Bank unter dem Küchenfenster, meine Nase gegen das kühle Glass pressend. Ich sah wie die drei Gestapo-Männer meinen Vati hinten in ein Auto stoßen und sehr schnell wegfuhren. „Mama! Mama! Wohin geht Vati mit jenen Männern? Wann wird er zurückkommen?“.
Sie bringen ihn in das Gestapo-Büro in Bad Harzburg um ihn zu befragen. Er wird heute Abend zurück sein.“
Vati kam jenen Abend nicht nach Haus noch kam er am nächsten Morgen heim. Ich war sehr traurig.
Ich fragte weiter: „Mama, wann wird Vati heimkommen? Wann kommt er heim?“
„Sie müssen ihm eine Menge Fragen stellen“, erwiderte Mama, „ich glaube, er wird heute Abend zu Haus sein.“
Der Morgen ging vorbei, Mittag ging vorbei, der Abend ging vorbei. Kein Zeichen von Vati. Ich begann, bedrückt zu werden. Für eine Weile spielte ich mit einigen Spielzeugsoldaten und paradierte sie um meine kleine hölzerne Burg. (Ich spielte meistens mit mir selbst. Mama sagte gewöhnlich: „Du kannst nicht mit den Nachbarskindern spielen, sie sind viel zu rau und schlecht erzogen.“ So wuchs ich in einer sehr ruhigen Umgebung auf, manchmal zu ruhig und langweilig).
Während des Nachmittags ging Mama in den Garten, um Tomaten zu pflanzen, Zwiebeln, Karotten, Schalotten, Petersilie und einiges andere Gemüse sowie eine Menge von verschiedenen Arten von Blumen zu säen. Als ich ihr in den Garten folgte, rief sie: „Komm nicht zu nahe, wo ich arbeite. Du wirst schmutzig werden. Bleibe in der Nähe der Gartenbank.“ Mama zog mich immer ordentlich an. Sie mochte es nicht, wenn meine Kleidung unordentlich wurde, sie beobachtete mich die ganze Zeit. Für eine Weile beobachtete ich durch den Drahtzaun unsere neun Hühner, wie sie hier und da in einer teilweise offenen Hütte pickten und an einer separaten Stelle quakten drei Enten und beschäftigten sich in einem kleinen Teich.
Es war bereits 17:00 Uhr, als Mama ihre Gartenarbeit beendete. Sie sagte: „Morgen werde ich mehr tun. Lass uns hineingehen. Ich muss für unsere Schweine die Kartoffeln kochen. Ich wundere mich, warum dein Vater noch nicht nach Haus gekommen ist. Sie müssen wirklich durch die Tretmühle drücken“. Im Haus füllte Mama einen großen Topf mit fünfzehn Kilo Futterkartoffeln (welche von minderer Qualität als Esskartoffeln sind) für unsere Schweine. Sie füllte Wasser auf und kochte sie eine Stunde. Wenn sie fertig waren, ließ sie sie abkühlen für zwanzig Minuten und dann trug sie die Kartoffeln dreißig Meter zum Schweinestall (sieben unserer Nachbarn haben auch ihre Schweineställe nahe an unserem Schweinestall mit Misthaufen und neben der Toilette (Lokus, Plumpsklosett) ). Mama setzte den schweren Topf außerhalb des Stalles auf den Boden ab und schloss die hölzerne Tür auf, während unsere zwei Schweine vertraute Geräusche machten – uff – uff – uff – uff welche in aufgeregte und hohe Schreie mündeten. Sie merkten, dass das Futter kam. (Schweine sind sehr clevere Kreaturen. Sie sind ziemlich intelligent. Ihre Körper und Organe sind unseren sehr ähnlich)
Innen war ein kleiner Eingang und dahinter eine andere Tür, die zu den Schweinen führte. Mama schüttete die Kartoffeln in den trog während beide Schweine ihre hungrigen Körper ungeduldig gegen ihre Beine drückten (ich glaube, sie waren nahezu fünf Monate alt und benötigten noch fünf Monate Futter, bis für den Schlachter fertig waren) . Mama nahm einen Eimer von draußen und gab Wasser in einen separaten Trog für sie.
Nach dem sorgfältigen Verschließen der inneren und äußeren Tür des Stalles, kehrten wir ins Haus zurück, wo sie das Essen vorbereitete. Heute Abend hatten wir belegte Brotscheiben mit Knackwurst, Leberwurst und Harzer Käse – eines meiner Lieblingsessen – und heißer Schokolade zum Trinken.
Es war 20:00 Uhr als Vati endlich erschöpft nach Haus kam. Er musste zu Fuß zwei Kilometer vom Gestapo-Büro bis zum Harzburger Bahnhof gehen, um den Zug zu erreichen für die zehn Kilometer lange Fahrt nach Vienenburg, und dann musste er eine halbe Stunde in der Dunkelheit nach Haus gehen.
„Oh Mann!“ sagte er. „Sie haben mich gefoltert. Was für eine Art von Leuten sind sie? Diese Bastarde! Sie sind Tiere! Ich erzählte ihnen, dass ich nicht wüsste, wer die Plakate an die Telegraphenmasten genagelt hat. Ich habe immer nur meine Pflicht getan. Ich habe lange schwere Stunden gearbeitet. Sie stießen und sie schlugen mich in ihrem Büro und fragten mich Tag und Nacht aus. Eine ihrer Hauptsorge war, dass ich Mitglied in der SPD war.“ (Die Sozial Demokratische Partei existierte bis Hitler alle Parteien 1934 verboten hatte. Nur seiner Partei, der NSDAP,war es erlaubt, zu existieren.).
„Sie nannten mich ein Verräter, Lügner, Schwein und beleidigten mich mit anderen Namen, die ich vorher niemals gehört hatte. Es war nach 17:00 Uhr, als sie mir mitteilten, dass ich nach Haus gehen könnte und meinen Mund halten sollte. Sie würden sich nächste Woche wieder mit mir in Verbindung setzen.“
Fünf Tage später kam die Gestapo wieder. Diesmal waren es nur zwei Männer. „Ziehen Sie sich um, nehmen Sie eine Ersatzkleidung mit und seien Sie in fünf Minuten fertig“ befahlen sie Vati. „Wir benötigen mehr Informationen und Sie müssen sich einigen Tests unterziehen. Es wird eine Weile dauern bis Sie wieder zurück sind.“
Vati ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen und Mama packte einen Koffer für ihn mit Extra-Kleidung und einigen Toiletten-Artikeln. „Sei unbesorgt, Liebling, es wird alles in Ordnung kommen“ sagte Vati zu Mama. „Wenn irgendetwas ist, werde ich im Herrenhaus anrufen und eine Nachricht für dich hinterlassen.“
Der Gestapo-Mann vor der Tür wurde ungeduldig. „Los, los“ rief er. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Vati umarmte und küsste schnell die Mama. Liesel war in der Schule, deshalb konnte er ihr nicht auf Wiedersehen sagen. Er gab mir eine Liebkosung und sagte: „Sei ein guter Junge und höre auf deine Mama.“ Dann ging er schnell die Treppe hinunter mit Tränen in den Augen und mit dem Koffer in seiner rechten Hand, ein Gestapo-Mann vor ihm und einer hinter ihm. Alle drei stiegen in das Auto und fuhren schnell nach Bad Harzburg.
Die Nachbarn hatten alles beobachtet und dachten: „ Was um Himmelswillen hatte Otto Kuhlmann getan, dass ihn die Gestapo abholt?“
Abseits vom Krieg war das Leben gewöhnlich ruhig in den ländlichen Dörfern. Solche Szenen waren nicht üblich. Eine Woche später erhielt meine Mutter eine Nachricht von Frau Fischer, von der Domäne, wo mein Vati gearbeitet hatte, die besagte, dass mein Vati von Bad Harzburg nach Salzgitter-Hallendorf in ein Arbeitslager verbracht worden ist. Salzgitter ist ein Konglomerat von vielen Dörfern mit Kohle-Bergwerken und einer hauptsächlichen Stahl-Produktion in dem Gebiet. Eines dieser Dörfer war Hallendorf.
Vati erzählte uns nach seiner Rückkehr zwei Monate später, dass in dem Lager normale Leute, Kriminelle, Flüchtlinge, Kriegsgefangene und Zigeuner aus ganz Europa hausten. Dort waren Russen, Polen Tschechen, Slowaken, Ungarn, Juden, Holländer, Belgier, Franzosen, Deutsche und viele, viele andere Nationalitäten. Ihre Arbeit war es, Schiffe mit Kohle, Eisen oder anderen Materialen zu entladen, die hauptsächlich für die Stahlproduktion benötigt wurden.
Nachdem er in Hallendorf drei Wochen gewesen war, erhielt Vati den Befehl, allein mit dem Zug zum Gestapo-Büro in Bad Harzburg zu fahren für eine weitere Befragung. Vielleicht dachten sie, er würde aus dem Zug springen, wenn er etwas Falsches getan hätte. Aber mein Vater hat nichts Falsches getan, jedenfalls war er schlau genug, um zu verstehen, dass die Gestapo ihn austricksen wollte.
Den Tag, bevor er Hallendorf verließ, schaffte er es, Frau Fischer auf der Domäne anzurufen und ihr zu erzählen, dass er am Vienenburger Bahnhof um 12:00 Uhr mittags sein werde. Vienenburg, wo er den Zug nach Bad Harzburg wechseln musste, war ein Eisenbahnknotenpunkt gerade zwei Kilometer von unserem Ort entfernt.
Mutter und ich kamen am Bahnhof ganz früh an, damit ich Zeit hatte, die fremden Maschinen, Lokomotiven und Waggons zu bestaunen, welche so riesig groß aussahen und solch fremde laute und furchterregende Geräusche machten. Als es Mittag geworden ist, waren nicht viele Leute am Bahnhof. Die meisten Leute reisten früh am Morgen oder spät am Abend, zur oder von der Arbeit. In jenen Tagen hatten die Leute weder die Zeit noch das Geld in ihrer Freizeit zu reisen.
Endlich kam der Zug aus Salzgitter an, den Bahnsteig mit einer Wolke aus Dampf und übelriechendem schwarzen Rauch bedeckend. Dann, als der Dampf und der Rauch sich lichtete, erschien Vati vor uns. Von Mama‘ s Arm rief ich aus: „ Vati! Vati!“ Mama stellte mich auf den Boden und ich rannte in meines Vater‘ s Arme.
Ich warf meine Arme um seinen Nacken. „Ich liebe dich, Vati. Ich habe dich vermisst, Vati. Wo bist du gewesen?“ fragte ich.
„Im Hallendorfer Hafen gearbeitet, Schiffe beladen und entladen“ antwortete er.
„Kommst du jetzt mit uns nach Haus?“.
„Nicht heute. Ich muss noch nach Bad Harzburg für ein wichtiges Meeting mit einigen Leuten von der Regierung .Vielleicht werde ich in einer Woche zu Haus sein“ erwiderte Vati und hielt mich in seinem Arm. Dann fuhr er fort, Mama über seine Erfahrungen in Hallendorf zu erzählen und was mit ihm geschehen bei dem Treffen mit der Gestapo an jenem späten Nachmittag. Sie haben einige lästige Arbeiten besprochen, die zuhause getan werden mussten. Sie unterhielten sich über den Garten und unsere Schweine und was Liesel gerade tat. Nachdem wir mit Vati zwanzig Minuten zusammen gewesen waren, dampfte ein anderer Zug in den Bahnhof ein und hielt mit quietschenden Bremsen und einer Menge Qualm an. Vati küsste uns zum Abschied und sagte zu Mama, dass er eine andere Nachricht im Büro bei Frau Fischer in einigen Tagen hinterlassen würde. Er verließ uns wohl wissend, was geschehen würde.
Ruhig ging mein Vater zu einem der Eisenbahnwaggons und bestieg die drei Stufen. Er ging zu einem der Abteile, senkte das Fenster und winkte mit seiner rechten Hand. Bald fuhr der Zug los. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“, rief er, und der Zug verschwand zwischen den Häusern Vienenburgs um eine Kurve südwärts nach Bad Harzburg.
„Komm Diter. Vati ist nun fort. Lass uns nach Haus gehen“, sagte meine Mutter und nahm mich an die Hand.Und wir gingen los auf den zwei kilometerlangen Heimweg.
Es war mitten am Nachmittag als mein das Gestapo-Hauptquartier in Bad Harzburg erreichte. Zwei Gestapo-Offiziere fragten ihn wieder fünf sich hinziehende Stunden über alle Seiten seines Lebens sowie über unsere Vorfahren aus. Das ging so:
Wo sind Sie geboren? Wann sind Sie geboren? Wo sind Sie zur Schule gegangen? Wann haben Sie die Schule verlassen? Wo haben Sie nach Verlassen der Schule gearbeitet? Warum lügen Sie? Hier in unseren Dokumenten steht es anders. Wenn Sie nicht zur Besinnung kommen, werden wir Ihren Verstand herausschlagen. …. Wann wurde Ihr Vater geboren? Wann wurde Ihr Großvater geboren? Wo lebte Ihr Großvater? Wann heiratete er? Wo arbeitete er? Wann wurde Ihre Großmutter geboren? Wo wurde Ihre Großmutter geboren? Wann heiratete sie? Wo heiratete sie? ….. Sie lügen wieder, Sie Schwein. Wir werden Ihnen das Lügenmaul stopfen.
Einer von ihnen haute mit seiner Faust einen bösartigen Schlag auf die linke Kopfseite meines Vaters. Die Brille meines Vatis fiel auf den Fußboden. Er benötigte sie zum Lesen sowie für die Entfernung. Der Offizier trat mit seinen langbeinigen Gestapo-Stiefeln auf die Brille. Er drehte seine Stiefel links und rechts herum und stampfte darauf herum, bis sie in Stücke war. „Sie sind nutzlos“ schrie er. Leute, die das Vaterland betrügen, brauchen niemals mehr lesen und schreiben“.
Dann gerade kam der Chef-Offizier der Gestapo in den Raum, um an der Befragung teilzunehmen. Die Offiziere riefen: „Heil Hitler, Herr Obersturmbannführer“.
„Hat das Schwein aufgehört zu lügen“ rief er. „Wann haben Sie die Briefe gegen unseren Führer geschrieben? Wann haben Sie diese an die Telegraphenmasten genagelt?“
„Ich habe die Briefe nicht geschrieben und auch nicht an die Telegraphenmasten genagelt.“ erwiderte Vater.
„So, wer tat es dann?“ schrie der Chef.
„Ich weiß es nicht“ antwortete Vater.
„Sie verdammter, schmutziger Verbrecher“ brüllte der Führer.“Wir werden Ihnen ein heißes Bad verabreichen. Sie werden sich dann besser fühlen und wir möchten uns nicht schmutzig machen, wenn wir Ihren stinkenden Körper berühren. Wir haben bereits genug Zeit mit Ihnen Verschwendet, Sie verdorbener Verräter. Los, ausziehen und schneller als gewöhnlich! Und dann! Und dann, Sie Bastard. Dann werden Sie erzählen“.
Er schaute seine Offiziere an. „Stellt sicher, dass das Bad heiß genug ist, … hahaha“ lachte er. Die Offiziere brachten Vati ins Bad und er zog sich nackt aus. Ein Offizier gab Vati einen Tritt. Mein Vater verlor sein Gleichgewicht und fiel in die leere Badewanne. Der zweite Offizier schaltete den elektrischen Strom ein, welcher mit der Wanne verbunden war und Vati ließ einen hysterischen Schrei los, der durch den schrecklichen elektrischen Schock ausgelöst wurde. Der Chef betrat das Bad. „Na, ist es heiß genug für Sie oder brauchen Sie noch etwas mehr, mein lieber Kerl? Sie möchten ein wahrer ehrlicher Deutscher sein, nicht wahr? Dann lösen Ihre Zunge oder möchten Sie Ihre Großmutter in der Hölle treffen? Wir haben schon Andere geschafft als Sie …. also strapazieren Sie unsere Nerven nicht weiter.
„Ich habe nichts getan, ich habe das alles nicht getan“ schrie mein Vater. Ich habe immer hart auf der Domäne gearbeitet und tat meine Pflicht für unser Land“.
„Unser Land verraten, das nennen Sie Ihre Pflicht, Sie Bastard. Vaterlandsverräter, Verräter von Deutschland. Wir sollten Ihren Verstand aus Ihrem Schädel schlagen. Das würde unsere Pflicht sein, Sie Lügner“.
„Sie können mich mit jedem Namen benennen, den Sie wollen. Ich habe nichts Schlechtes gegen unser Land getan“ erwiderte Vater.
„Wir werden das bald herausfinden“ sagte der Gestapo-Mann. „Ziehen Sie sich an und schreiben Sie eine Kopie von dem Brief, den wir gefunden haben. Wir werden die Kopie an das Hauptquartier in Berlin senden, um Ihre Handschrift zu überprüfen.“
Vati setzte sich wie befohlen an den Tisch und schrieb den Brief. Es war bereits nach Mitternacht als er den Brief beendete. Der Gestapo-Chef sagte:“Sie können in dem Bett an der nächsten Tür schlafen und kehren morgen früh mit dem nächsten Zug um 7:00 Uhr nach Salzgitter-Hallendorf zurück, verstanden?“
„Jawohl, Herr Obersturmbannführer“ erwiderte mein Vater.
Die Sonne stand bereits über den schönen Harz Bergen, als Vati die pitureske Friedrich-Wilhelm Straße, umsäumt mit den frischen blätterigen Frühlingslinden auf jeder Seite und mit fabelhaften, reichen Häusern dahinter, hinunterging. Ein Duft von frischem Grün und blühenden Blumen und Bäumen lag in der Luft an jenem späten Mai-Morgen. Vati erfreute sich an der frischen Luft im Gegensatz zu der muffigen Luft in dem Gestapo-Büro an dem vorherigen Tag. Es gab ihm neue Hoffnung. Am Bad Harzburger Bahnhof um 6:45 Uhr angekommen, hatte er genug Zeit, um die Braunschweiger Zeitung zu kaufen und die neuesten Nachrichten zu lesen aus dem Landkreis Goslar, wo wir wohnten, und über den Krieg. Unnötig zu sagen, dass die Zeitung voll war von Siegen an vielen Fronten in Ost und West, Nord und Süd – Propaganda natürlich! Der Feind hat immer verloren, hat immer Schuld, gibt dem Land Gründe zu kämpfen und den Soldaten Grund, um ihre Körper, ihr Fleisch und Blut für das Vaterland zu opfern. Aber, wie die Geschichte uns immer wieder und wieder erzählt, es ist eine völlig unverantwortliche Verschwendung. Offensichtlich hat es kaltblütige Faschisten wie Adolf Hitler, Joseph Göbbels und Heinrich Himmler nicht berührt, um einige Namen zu nennen.
Nachdem er den Zug in Vienenburg gewechselt hat, kam Vati zwei Stunden später in Hallendorf an und musste dem Kommandanten des Arbeitslagers berichten, der ihm befahl, Schiffe zu beladen. Einige mühselige Tage gingen vorüber und die Wächter wurden immer agressiver. Sie gingen von Internierten zu Internierten und schrien sie an: „Arbeite schneller. Sei nicht so faul. Keine Unterhaltung. Du musst arbeiten für den Schaden, den du Deutschland angetan hast. Du musst für dein Essen arbeiten ansonsten wirst du heute keine Mahlzeit mehr bekommen.
Von Zeit zu Zeit benutzten sie die Gewehrkolben und schlugen den Gefangenen wild in die Rippen, zwischen die Schultern oder in deren Hinterteil. Als einer der Wächter meinen Vater attackieren wollte, sagte Vati: „Höre, ich bin ein unschuldiger Reichs-Deutscher, der niemals etwas Schlechtes in seinem Leben getan hat. Wenn Sie mich angreifen, gehen Sie oder ich in dem Kanal Schwimmen“.
Er rührte meinen Vater nicht an, aber er berichtete dem Kommandanten. Kurz danach wurde Vati befohlen, dem Kommandanten zu berichten. Vati erzählte ihm genau, was passiert war, und er musste nicht zu den Schiffen zurück. Stattdessen wurde in die Werkstatt geschickt, um des Kommandanten Autos und Motorräder zu pflegen. Dies war ein starker Kontrast zu der vorherigen schweren Arbeit.
Drei Wochen nach dieser entsetzlichen Erfahrung bekam Vater eine andere Mitteilung vom Gestapo-Büro, in zwei Tagen nach Bad Harzburg für ein weiteres Treffen zurückzukehren. Vatis Gedanken waren, dass er noch mehr qualvolle Folter erleiden müsste.
Bald kam die Zeit, den Zug zurück nach Bad Harzburg zu nehmen. Nach dem Erreichen des Gestapo-Büros war ihm alles allzu vertraut. Das luxuriöse Herrenhaus war sehr eindrucksvoll. Es ist einer reichen jüdischen Familie ein paar Jahre vorher weggenommen worden. Ich glaube, sie mussten wesentliche Geschäfte in Berlin gehabt haben und haben hauptsächlich das Gebäude als Sommerresidenz benutzt und manchmal zum Skifahren im Winter. Der Fußboden und einige Wände waren aus italienischem Marmor gemacht. Andere Wände waren mit teurem Teakholz verkleidet. Eine riesige innere Treppe, mit schönen Verzierungen bereichert, ging zu den zwei Obergeschossen, die mit prächtigem Mosaik bedeckt waren.
Vati meldete sich ei einer freundlichen elegant gekleideten Sekretärin in der Rezeption an. Sie sagte Vater, er möchte Platz nehmen in einem der komfortablen Sessel; er müsste zwanzig Minuten warten bevor das Meeting beginnt. Dankbar für ihre freundlichen Worte setzte sich Vater hin und nahm ein Hitlerjugend-Magazin zur Hand .Nachdem er eine halbe Stunde gewartet hatte, rief die Sekretärin Vater, ihr zu um die Ecke zu folgen und an Tisch Platz zu nehmen. Herr Sturmbannführer würde gleich kommen. Eine kleine Weile später kam grüßend ein Gestapo-Offizier herein und sagte, der Obersturmbannführer möchte den Fall persönlich mit Vater besprechen. Die Antwort zu dem Handschrift-Test war endlich aus Berlin angekommen.
Nachdem der Gestapo-Offizier meinen Vati verlassen hatte, kam der Obersturmbannführer in das Büro herein. „Heil Hitler, Herr Kuhlmann“ rief er aus. Vater beantwortete seine Grüße. „Vor einigen Tagen erhielten wir die Antwort aus Berlin. Sie besagt, Sie sind der Täter, der das Verbrechen begangen hat. Hier, werfen Sie einen Blick auf den Brief. Lesen Sie selbst. Da steht alles schwarz auf weiß. “Tut mir leid“ erwiderte mein Vater. „Das muss ein Fehler sein. Ich habe diese Mitteilungen weder geschrieben noch an die Telegraphenmasten genagelt.“
Während der Gestapo-Chef den Raum verließ und in sein Büro ging, kam die die Sekretärin mit ihrem langen, lockigen schwarzem Haar in den Raum zurück und brachte einige Dokumente vom Schreibtisch mit. „Keine Sorge, Herr Kuhlmann, es alles in Ordnung“. Einen Moment später kam der Chef zurück, diesmal mit einem Brief, welcher aussagte, dass Herr Otto Kuhlmann nicht die Person war, die das Verbrechen begangen hat. So, schließlich hat die Gestapo bis zur letzten Minute versucht, Vati eine Falle zu stellen.
„Bitte, akzeptieren Sie unsere aufrichtigste Entschuldigung für alles, was passiert ist“, sagte der Chef. „Aber wir bitten Sie, zu niemanden zu erwähnen, was geschehen ist, weil, wenn Sie es tun, es weitere Rückschläge für Sie verursachen kann“.
„Verstanden, Herr Obersturmbannführer“, antwortete Vati.
„Sie können nach Haus zurückkehren. Auf Wiedersehen, Herr Kuhlmann“.
„Auf Wiedersehen, Herr Obersturmbannführer“, erwiderte mein Vater und mit freundlichen Grüßen an die Sekretärin verließ Vati das Gebäude, wieder als freier Mann. Am Bahnhof angekommen, nahm er einen Zug nach Vienenburg und ging dann zu Fuß nach Wiedelah. Er freute sich auf sein Zuhause mit seiner Frau und den zwei Kindern und wieder auf eine schöne warme Mahlzeit. Das Essen im Lager war Viehfutter.